Neues Kakao-Programm von Fairtrade: Entwicklungshilfe oder Verbrauchertäuschung?
Anfang des Jahres wurde ein neues Kakao-Programm von Fairtrade lanciert, das den Bezug von zertifiziertem Kakao in Deutschland steigern soll. Das Siegel gleicht stark dem normalen Zertifizierungslabel von Fairtrade, steht jedoch für etwas anderes.
Fairtrade-Produkte werden in Deutschland immer beliebter. Schokoladenprodukte haben in dieser Entwicklung aber einen eher schwierigen Stand. Während viele andere Produktgruppen ihren Absatz in den letzten Jahren kontinuierlich steigern konnten, gab es bei fertigen Schokoladenprodukten sogar rückläufige Entwicklungen. Um die Menge des fair gehandelten Kakaos in Deutschland zu steigern, hat Fairtrade Deutschland zu Beginn dieses Jahres ein neues Kakao-Programm lanciert.
Lebensmittelriesen bereits mit an Bord
Bei der normalen Fairtrade-Zertifizierung gilt Schokolade als Mischprodukt, da es aus mehreren Rohstoffen besteht. Bei diesen Mischprodukten müssen alle Zutaten, die aus fairem Handel bezogen werden können, auch wirklich fair bezogen werden. Wird eine der Zutaten nicht fair bezogen, kommt kein Fairtrade-Label auf die Verpackung. Bei Schokolade betrifft das neben dem Kakao beispielsweise den Zucker. Und genau hier unterscheidet sich das Standard-Label vom neuen Kakao-Programm von Fairtrade.
Anstatt alle Zutaten möglichst fair zu beziehen, ermöglicht das Kakao-Programm den Unternehmen lediglich den Kakao für ihre Endprodukte teilweise oder vollständig von Fairtrade-Kooperativen zu beziehen. Ziel dieser neuen Kooperation ist es, den Absatz von fair gehandeltem Kakao generell zu erhöhen und es den Unternehmen zu erleichtern, ihr Engagement zum Ausdruck zu bringen. Letztlich sollen die Kakaobauern dadurch einen größeren Anteil ihrer Ernte zertifiziert verkaufen können. Wie aus einem Interview des enorm-Magazins mit Dieter Overrath, dem Geschäftsführer von Transfair Deutschland, hervorgeht, gehören zu den Kooperationspartnern bereits Lebensmittelriesen wie Rewe, Lidl und Kaufland.
Kritik am neuen Kakao-Programm von Fairtrade
Doch gerade durch große Namen drängt sich die Frage auf, wem das Kakao-Programm tatsächlich nutzen soll. Zwar können die Absätze von fairem Kakao durch das Programm laut Fairtrade erhöht werden, aber können es sich Rewe, Lidl und Co nicht leisten, auch den Zucker für ihre Schokolade fair zu beziehen? enorm stellt treffend fest, dass das Programm-Siegel sehr stark dem regulären Fairtrade-Label ähnelt. Lediglich die Hintergrundfarbe wurde geändert. Deshalb ist die Befürchtung nicht von der Hand zu weisen, dass die Konsumenten, denen das reguläre Siegel bekannt ist, mit dem neuen Siegel in die Irre geführt werden können. Das grün/blaue Logo ist auf der Packung, die Organisation ist dieselbe. Warum sollte der Hintergrund eine große Rolle spielen? So ergibt sich für Unternehmen die Gelegenheit, einen wesentlich geringeren Teil der Zutaten fair zu beziehen und dennoch von der Bekanntheit des Labels und dessen Bedeutung zu profitieren.
Es bleibt also zu hoffen, dass Konsumenten weiterhin kritisch hinterfragen. Der Erfolg des Fairtrade-Kakao-Programms darf in jedem Fall nicht nur am Absatz des Kakaos gemessen werden. Eine Erfolgsanalyse muss auch die Entwicklungen anderer Zutaten unserer Schokolade berücksichtigen.
Hallo liebe LeserInnen
Hier gab es neulich einen kritischen Kommentar, der meinen Artikel als zu negativ empfand. Diesen Kommentar haben wir natürlich nicht gelöscht, aber er ging im Laufe unserer Server-Probleme leider verloren.
An dieser Stelle trotzdem eine Antwort auf den Kommentar.
Prinzipiell finde ich es natürlich eine absolut gute Sache, wenn die Gesamtmenge an fair gehandeltem Kakao gesteigert werden kann. Auch denke ich, dass es für viele Hersteller eine Chance ist, den Rohstoffbezug sukzessive umzustellen. Trotzdem – finde ich – darf man solche neuen Programme nicht einfach unhinterfragt lassen. Immerhin sind Bewegungen wie FairTrade erst durch kritisches Hinterfragen entstanden. Gerade deshalb sollte es auch legitim sein, die Bewegungen selbst zu hinterfragen. Am Ende steht sonst nämlich ein Erfolgsbericht mit netten Zahlen, die schnell falsch ausgelegt werden. Aufmerksamkeit ist daher immer angebracht!
Liebe Grüße,
Marina
Hallo Marina,
deiner Meinung kann ich mich anschließen. Dieses Programm von Fairtrade Deutschland weißt sowohl Vor- als auch Nachteile auf. Natürlich besteht die Möglichkeit für Kleinbauern aus der Dritten Welt ihren Absatz zu steigern, andererseits sehe ich das neue Siegel auch kritisch. Für viele Verbraucher wird der Unterschied nicht ersichtlich sein, was zu einem Vertrauensverlust für das klassische Fairtrade-Siegel führen kann. Ich stelle mir tatsächlich die gleiche Frage, was die großen Lebensmittelhändler davon abhält fair gehandelte Schokolade mit dem klassischen Siegel vermehrt in ihre Regale zu stellen. Wenn die Absicht vorhanden ist am Fairen Handel teilzunehmen sollten Verbraucher auch die richtigen Produkte in den Regalen finden können. Letztlich trägt es zum Wohle aller maßgeblich bei.
Viele Grüße
Christian